Best-Practices für Digitalisierungsprojekte

Die häufigsten Fehler in Digitalisierungsprojekten und wie man sie vermeidet.

Was schon lange in den USA vorgelebt wird kommt nun auch verstärkt nach Europa. Kunden wollen Services! Vor kurzem ist Amazon mit seinen Servicebuttons auf den deutschen und österreichischen Markt expandiert. Diese kleinen, wenige Zentimeter großen, weißen Gehäuse mit kleinen runden Button und einem klingelschildgroßen Aufdruck eines Haushaltskonsumgutes machen nicht viel. Wenn man den Button klickt, so wird automatisch eine Bestellung an Amazon geschickt und das gewünschte Produkt per Paketzustellung geliefert.

Dieser Service ist sowohl von einem gesellschaftlichen, als auch von einem technischen Standpunkt her sehr spannend. Technisch gesehen ist dies ein IoT Service der es Endkonsumenten ermöglicht Alltagsgegenstände wie z.B. Waschmaschinen zum Preis von etwa 5 Euro intelligenter zu machen. Das Waschmittel, sollte es zur Neige gehen, kann mit einen einfachen Knopfdurck nach Hause bestellt werden.

Amazon schafft es mit seinem AWS-IoT-Service Millionen von Dash-Buttons zu servicieren eine Kommunikation aufzubauen, diese Buttons dem richtigen Kunden zuzuordnen und die konfigurierte Menge des gewünschten Produktes, zur richtigen Adresse zu senden und dem richtigen Kunden von seiner Kreditkarte abzurechnen. Doch neben dieser spannenden technischen Herausforderung sind auch die gesellschaftlichen Effekte faszinierend. Kunden und Konsumenten wollen vollautomatisierte Services. Sie wollen sich nicht mehr um die „Betriebsmittel“ ihrer Waschmaschine kümmern. Sie wollen, dass sich jemand anderer im Hintergrund um alles andere kümmert.

Wer diesen Trend weg vom Kauf von Produkten hin zum Kauf von Services verstanden hat, der nutzt nun diese Erkenntnis, um sein Unternehmen einen digitalen Wandlungsprozess zu unterziehen. Viele Unternehmen gehen weg vom reinen Verkauf von Produkten, hin zum Verkauf von Services. Dies geschieht meist in Form eines IoT oder Industrie 4.0 Projekts.

Wenn Sie nun mit Ihrem ersten IoT Projekt starten, so sollten Sie unbedingt über folgende Punkte nachdenken und somit bekannte Projektrisiken im Industrie 4.0 Projektmanagement vermeiden.

1. Steigende Kundenanforderungen

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der Kunde hat Bedürfnisse nach persönlicher Ansprache, hoher Transparenz, schneller Verfügbarkeit, und Serviceorientiertheit

Das oben beschriebene Beispiel ist nur eines von vielen. Es zeigt auf, wie die technologischen Möglichkeiten unserer Zeit die Bedürfnisse und Erwartungen von Konsumenten ändern. Diese gestiegenen Bedürfnisse nach direkter persönlicher Ansprache, hoher Transparenz, schneller Verfügbarkeit, und Serviceorientiertheit um nur einige zu nennen, führen zu einem erhöhten Druck auf Unternehmen, die produzierten Produkte und angebotenen Dienstleistungen. Der Preis und die Produkteigenschaften sind nicht mehr das Einzige was zählt. Über das Produkt hinausgehende Services, werden immer wichtiger und sind kaufentscheidend, denn ein alternatives Produkt mit ähnlichen Produkteigenschaften ist nur einen Mausklick entfernt. Ein jedes Unternehmen muss sich die Frage stellen, wer seine Endkunden sind, was deren Bedürfnisse sind und was getan werden muss um diese Bedürfnisse langfristig zu befriedigen und sie somit an das Produkt und das Unternehmen zu binden.

2. Projektvision und Fokussierung

Vision
ein ganzheitlicher Digitalisierungsplan eine Vision ist notwendig

Der Spruch „Think Big — Act Small“ könnte bei Digitalisierungsprojekten nicht besser passen. Es ist notwendig eine große Vision für die digitale Zukunft seines Unternehmens zu entwickeln, ein grobes Gesamtkonzept, wie sich das Unternehmen dem digitalen Transformationswandel unterziehen soll. Dabei ist es wichtig neue digitale Services für das Unternehmen zu finden, bestehende Geschäftsprozesse durch Einsatz von digitalen Technologien und Tools zu optimieren und sogar neue Geschäftsmodelle auf Basis von digitalen Technologien zu entwickeln. Diese große Vision muss dann in kleinere Teilprojekte zerlegt werden. Diese Teilprojekte sollten dann sorgfältig einer Impact-Analyse durchzogen werden. Digitalisierungsprojekte sind immer auch Change Projekte. Daher sollten Sie bei der Auswahl Ihres ersten Digitalisierungsprojekts jene Projekte wählen, bei denen Sie den größten Effekt bei geringsten internen Gegenwind erwarten. Es empfiehlt sich nach dieser Priorisierung vorerst nur ein oder zwei Projekte für die aktive Umsetzung auszuwählen und anzugehen.

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der CDO muss den Digitalisierungsplan durchsetzen können

3. Verantwortungen und Kompetenzen

Viele Digitalisierungsprojekte scheitern an einem internen Zerreibungsprozess. Selbst wenn in der ersten Phase der Digitalisierung eines Unternehmens das Erstprojekt sorgfältig ausgewählt wurde und darauf geachtet wurde, dass die Technologie-Enthusiasten des Unternehmens Mitstreiter für das Digitalisierungsprojekt sind, so wird es dennoch zu Interessenskonflikten zwischen innovativen Reformatoren und alteingesessenen Keyplayern im Unternehmen geben. Diese Bewahrer des alten Systems sind somit Verhinderer von Neuerungen und können das Digitalisierungsprojekt scheitern lassen. Um diesen Interessenskonflikten Herr zu werden benötigt es eine neue Figur am Spielfeld. Diese neue Stelle der Chief Digital Innovation Officer sollte möglichst direkt der Geschäftsführung unterstellt sein und über eigenes Budget und ausreichend Kompetenzen verfügen um Änderungen im Unternehmen diplomatisch aber vehement durchzusetzen.

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Changeprozesse müssen gemanaged werden

4. Changeprozess

Wie oben bereits unter Verantwortung und Kompetenzen beschrieben hat der CDO eine sehr herausfordernde Rolle. Er muss Veränderungen im Unternehmen in Gang setzen und somit auch unvermeidlich Konflikte austragen. Konflikte zwischen traditionellen Rollen und neuen Prozessen und Geschäftsmodellen. Ein vernachlässigtes Change Management kann dazu führen das Digitalisierungsprojekte unnötig in die Länge gezogen werden oder sogar ganz scheitern. Hier sollte schon im Vorhinein vom CDO versucht werden Schlüsselpositionen, Entscheider und Pioniere zu identifizieren und mit ins Boot zu holen. Primär müssen diese für das Projekt wichtige Stakeholder von der Gesamtvision überzeugt werden. Es müssen Anknüpfungspunkte gefunden werden, welche klaren Vorteile sich für die Betroffenen ergeben. Oft sind Changeprozesse auch mit irrationalen Ängsten verbunden. Diese Ängste sollten durch geeignete Interview-Methoden identifiziert und durch aufklärende Gespräche aus der Welt geschafft werden. Changeprozesse können nicht von Oben herab delegiert oder indoktriniert werden, stellen Sie gleich zu Beginn sicher, dass Sie zunächst eine breite Zustimmung von der Basis für das Projekt haben bevor Sie das Digitalisierungsprojekt beginnen.

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das Tagesgeschäft kann das Projektziel verschleppen

5. Verschleppung und Ressourcen

Die Wichtigkeit des eigenen Projektbudgets für den CDO und das Digitalisierungsprojekt wurde bereits mehrmals erwähnt. Doch nur mit dem Projektbudget alleine ist es nicht getan. Oft gibt es noch Abhängigkeiten zu Fachabteilungen welche für die Weiterarbeit am Projekt unausweichlich sind. Diese Abhängigkeiten sind eine Gefahr für das Projekt, denn Fachabteilungsmitarbeiter haben eine für die Organisation wichtige Aufgabe in ihrem Fachbereich zu erledigten und operative Verpflichtungen und Termine einzuhalten. Dieses Problem kann zu starken Verzögerungen oder sogar zum Scheitern des Digitalisierungsprojekts führen. Um diesen Problem entgegenzuwirken empfiehlt es sich Zeitpläne, Meetings und Arbeitsaufgaben möglichst früh bei der Fachabteilung bekannt zu geben, um den Mitarbeitern der Fachabteilung die Möglichkeit zu bieten Aufgaben ins Tagesgeschäft einplanen zu können. Nur dann ist eine vernünftige Ressourcenplanung möglich. Es muss dem Mitarbeiter auch möglich sein die anfallenden Arbeiten geblockt und ungestört durchführen zu können.

Prozess
Standards helfen Prozesse besser abzuarbeiten und flexibler zu reagieren

6. Einheitliche Standards fehlen

Kein Auftrag ist wie der andere. Das stimmt und in den Zeiten der Industrie 4.0, bei der Kunden die Losgröße 1 erwarten, sollte jedes Unternehmen die Flexibilität haben auf individuelle Kundenwünsche einzugehen und Produkte nach Kundenwunsch zu produzieren. Die Art und Anzahl der verschieden produzierten Produkte soll jedoch keine Auswirkungen auf die dahinterliegenden Prozesse haben. Es zeigt sich, dass Unternehmen mit einer hohen Dichte an standardisierten Prozessen flexibler und schneller auf verschiedene Kundenwünsche eingehen können. Ein guter Vergleich dazu ist die Softwareentwicklung. Agile Softwareentwicklung bedeutet nicht, dass ein chaotisches Projektvorgehen herrscht. Moderne Softwareentwicklungsprozesse sind objektiv betrachtet sehr stark durchstrukturiert. Bei SCRUM beispielsweise sind sogar Tages und Wochenabläufe genauestens strukturiert mit Daily-Standup-Meetings, Sprint-Planungsmeeting und Review- und Retrospektiven-Meetings. Dies hat jedoch keine negativen Einflüsse auf die Flexibilität wie auf veränderte Kundenwünsche reagiert wird. Ganz im Gegenteil. Kunden sind eng im Entwicklungsprozess mit eingebunden, sitzen quasi im selben Boot und können zu jedem Zeitpunkt neue Wünsche ins Projekt mit einbringen. Beim nächsten Sprint-Planungsmeeting werden diese dann eingeplant und bei nächster Gelegenheit in die Entwicklung überführt. Fragt man jedoch Produktionsunternehmen heutzutage nach der Dichte der standardisierten Prozessabläufen so wird man bei realistischer ehrlicher Betrachtung eine Differenz zwischen vorhandenen Standards und gelebten Standards feststellen. Diese fehlenden Standards machen eine einfache Einführung und Umsetzung von digitalen Unterstützungstools sehr schwer. Hier empfiehlt es sich zunächst Standards zu leben und dann erst nach digitalen Verbesserungen zu suchen.

NewTools
neue Tools ermöglichen flexible und schnell Arbeit

7. Veraltete IT-Strukturen

In vielen Unternehmen hat die IT eine sonderrolle. Gerade in gewachsenen alteingesessenen Produktionsunternehmen hat die IT mittlerweile die Rolle eines Bewahrers statt die eines Ermöglichers. Systemadministratoren versuchen durch Firewalls, und Einschränkungen von Benutzerrechten auf Arbeitsstationen den „Missbrauch“ von den vielseitigen Möglichkeiten die der PC und das Internet bieten zu verhindern. Das Sperren von Installationsrechten und das einschränken des Internetzugangs führt jedoch dazu, dass innovative Prozesse und Werkzeuge von Mitarbeitern nicht eingesetzt werden können. Mitarbeiter beschäftigen sich mit Umgehungsmaßnahmen oder suchen sich nichtdigitale Wege um ihre Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Der Systemadministrator erhält viel macht denn er muss jede Installation freigeben. Diese Attitüde führ jedoch zu hohen Zeitkonsum und zu einer Einstellung des Bewahrers. Die IT-Systeme und die dem Systemadministrator bekannten Tools altern und das Unternehmen verpasst den Anschluss an die aktuelle IT und ihre neuen Möglichkeiten. Mitarbeiter wiederum haben nicht die Möglichkeit sich mit neuen Tools zu beschäftigen und bleiben daher am Wissensstand der alten Tools stehen. Im Gegensatz zum klassischen EDV-Abteilungsleiter hat der CIO die Hauptaufgabe einen Mehrwert durch Einsatz von IT für das Unternehmen zu stiften und ein Ermöglicher zu sein. Für viele IoT Projekte sind außerdem veraltete Serverlandschaften nicht ausreichend Unternehmen müssen sich den Schritt in die Cloud trauen und neue digitale Services global anbieten.

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Zum Autor:

David Theil aus Linz Oberösterreich ist Digitalisierungs-Coach,  Software-Entwickler und als Head of Presales und Delivery für über 30 Softwareentwickler verantwortlich. Beruflich beschäftigt er sich bereits jahrelang mit der Digitalisierung und hat bereits bei vielen Digitalisierungs-Projekten in der Wirtschaft federführend mitgewirkt. Er bewegt sich in Themen wie Digitalisierung, IoT, oder Industrie 4.0 sowohl beratend als auch praktisch mit echten Lösungen.

https://medium.com/@david.theil

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