Agile Coach vs. Scrum Master

Viele Autoren machen gerne eine Abgrenzung zwischen Agile Coach und Scrum-Master. So wird im Social Media oder auf medium gerne definiert das Scrum-Master sich auf das Team fokussieren und Agile Coaches auf die Organisation und die agile Transformation.
Ich möchte in diesem Artikel auf diese Argumentation eingehen und meine Sicht diese Themen hier klarlegen.

Der Scrum-Master

Der Scrum-Master ist eine klar definierte Rolle im Scrum-Framework. Es wird genau beschrieben welche Kernaufgaben der Scrum-Master hat und worauf er sich fokussiert.
Hier der Auszug aus dem Scrum-Guide 2020:
“The Scrum Master is accountable for establishing Scrum as defined in the Scrum Guide. They do this by helping everyone understand Scrum theory and practice, both within the Scrum Team and the organization“
Es steht also ganz klar im Guide, dass der Scrum-Master sich sowohl auf die agile Transformation (in Form der Implementierung des Scrum-Frameworks und seiner Praktiken) innerhalb des Teams als auch in der Organisation kümmert.

Eigentlich könnte die Diskussion hier schon beendet werden. Der Scrum-Master ist der „Agile Coach“ der Organisation.

Nun gibt es aber zahlreiche Argumente die in dieser Situation von „Agile Coach-Befürwortern“ aufgebracht werden:

  1. Scrum ist nur ein Framework und die Agilität kommt zu kurz.
  2. Der Scrum-Master führt aber keine agile Transformation durch.
  3. Der Scrum-Master wird ja erst eingeführt, wenn der Agile-Coach das Unternehmen soweit gebracht hat Scrum zu adaptieren.
  4. In unserer Organisation hat der Scrum-Master nicht das Standing etwas zu bewegen.

All diese Argumente finde ich sehr fragwürdig, und deutet eher auf ein völliges Unverständnis von Agilität und Scrum hin.

1. Scrum ist nur ein Framework und die Agilität kommt zu kurz.

Jeder der über Scrum gefragt wird, wird dasselbe sagen. Scrum ist ein agiles Framework, das einfach und schnell eingesetzt werden kann. Die Theorie ist schnell verstanden. Aber die Philosophie das Mindset und das Verinnerlichen der Werte und somit der Kulturwandel ist sehr hart. Das heißt aber nicht, dass dieses Agile Mindset und die Philosophie und Werte nicht Teil einer Scrum-Implementierung im Team oder in der Organisation sind. Wer nur jene Teile macht, die im Scrum-Guide beschrieben sind macht „Zombie-Scrum“ oder „Pseudo-Scrum“ aber nicht echtes Scrum.

Der Scrum-Guide schreibt dazu:
„Scrum is simple. Try it as is and determine if its philosophy, theory, and structure help to achieve goals and create value. The Scrum framework is purposefully incomplete, only defining the parts required to implement Scrum theory. Scrum is built upon by the collective intelligence of the people using it. Rather than provide people with detailed instructions, the rules of Scrum guide their relationships and
interactions. „

Weiters heiß es:
„Scrum exists only in its entirety and functions well as a container for other techniques, methodologies, and practices.“

2. Der Scrum-Master führt aber keine agile Transformation durch.

In den Erzählungen zum „Agile Coach“ heißt es oft, dass sich der Scrum-Master ja nur aufs Team-Level fokussiert, sich um die Einführung und den Betrieb von Scrum kümmert und sich keine Gedanken zur agilen Transformation macht. Das ist schlichtweg falsch. Gute Scrum-Master beschäftigen sich einen Großteil mit der Organisation und versuchen diese zu einer agilen Arbeitsweise zu transformieren. Das ist allein deswegen schon notwendig, weil sonst das Scrum-Team in einem „Zombie-Scrum“ oder in einer Feature Factory feststeckt.

3. Der Scrum-Master wird ja erst eingeführt, wenn der Agile-Coach das Unternehmen soweit gebracht hat Scrum zu adaptieren.

Viele Manager und Unternehmen werden regelrecht überhäuft mit Anfragen agiler Consulting Unternehmen, die ihre Berater zu hohen Preisen in den Organisationen etablieren wollen. Das Management dieser Organisationen hat dabei meist schon vom agilen Arbeiten gehört, ob er bereits die ersten Workshops zum Thema gemacht. Da dieses oberflächliche Wissen aber meist nicht ausreicht ist es notwendig, wenn man den agilen Weg gehen möchte, hier noch mehr Beratung zu bekommen. In diesem Sinne macht es Sinn von externen Beratern die Hilfe in Anspruch zu nehmen, besser wäre es aber wenn nicht nur die Beratung, sondern auch die Praxis im Fokus stehen würde. Ein Agile-Coache, der nur über Beratung und Planung mit einem Unternehmen zusammen arbeitet die praktische Umsetzung aber außer Acht lässt hat mehr einen Plangetriebenen „Wasserfall-Ansatz“, als das er selbst agil arbeitet. Daher macht es mehr Sinn einen guten Scrum-Master einzustellen, diesen aktiv mit einem Team arbeiten zu lassen, ihn aber gleichzeitig die Möglichkeit zu geben an der Organisation und der agilen Transformation zu arbeiten. Dadurch wird die agile Transformation schrittweise, agil und angepasst an das Unternehmen durchgeführt.

4. In unserer Organisation hat der Scrum-Master nicht das Standing etwas zu bewegen.

Leider passiert es immer wieder, dass der Scrum-Master selbst nicht das Standing hat, die agile Transformation im Unternehmen anzustoßen. Und das liegt leider nicht selten am Scrum-Master selbst. Einerseits glauben gerade unerfahrene Scrum-Master oft, dass sie sich nur auf das Team fokussieren müssen, andererseits kommt es gerade in Unternehmen die einen Agile-Coach haben dazu, dass dieser den Scrum-Master bewusst nicht in den agilen Prozess mit einbezieht oder ihn nicht als Partner, sondern nur als unterstellten Mitarbeiter sieht. Leider ist es aktuell sehr schwer, am offenen Arbeitsmarkt erfahrene Scrum-Master zu finden. Auf der anderen Seite werden von Zertifizierungsstellen 2-3 Tagesschulungen mit abschließender Prüfung und Zertifikat angeboten, die den angehenden Scrum-Mastern das Gefühl geben dass sie nach dem Erhalt des Zertifikats gleich das Handwerkszeug haben um als Scrum-Master arbeiten zu können.
Aber nicht nur das Fehlen an Wissen und Erfahrungen und der Agile-Coach halten Scrum-Master davon ab in der Organisation die agile Transformation zu treiben, oft sind auch ein fehlender Rückhalt des Managements, oder eine reine Ansiedelung agilem Arbeitens in der Development-Abteilung Grund dafür, dass Scrum-Master in der Organisation nichts bewegen.

Daher muss der Scrum-Master für Verständnis innerhalb der Organisation sorgen. Er muss das Management auf allen Ebenen im Unternehmen in agilen Methoden und Mindset schulen und trainieren und dafür sorgen, dass er Einfluss auf die Organisation, über das Team-Level hinaus, nehmen kann. Es empfiehlt sich daher für diese Aufgabe erfahrene Scrum-Master einzustellen, die diese agile Transformation bereits schon durchgeführt haben. Denn wenn er das nicht tut, dann bleibt das Team eine Feature-Factory oder ein agiles Rädchen in einer plangetriebenen Wasserfallorganisation.

Agile Coach

Der Agile Coach ist keine definierte und global gleich ausgelegte Rolle. Es gibt zwar verschiedene Trainings und Zertifizierungen für Agile Coaches diese sind aber uneinheitlich und schwer zu vergleichen. Meiner Meinung nach resultiert die Rolle des Agile Coaches daraus, dass einerseits zu wenige erfahrene Scrum-Master am Arbeitsmarkt zu finden sind, und andererseits ist es ein gutes Geschäftsmodell für Zertifizierungsunternehmen und Beratungsunternehmen diese Rolle voranzutreiben und zu verbreiten. Es kann jedoch durchaus Sinn machen Experten dezidiert für eine praktische agile Transformation einzustellen. Das darf aber dann nicht aus einer Beratungsrolle passieren, sondern muss einen praxisorientierten Charakter haben, bei dem der „Coach“ auch mit dem Team mitarbeitet. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Agilität nur als Insellösung in der Development-Abteilung besteht und es bereits zu viele Barrieren gegen eine agile Transformation der anderen Unternehmensbereiche gibt. Außerdem muss gesagt werden, dass Scrum als Framework nicht für alle Unternehmen das beste agile Framework ist. Ein breiterer oder schrittweiser Ansatz kann hier durchaus sinnvoll und berechtigt sein. So kann beispielsweise eine Organisation zuerst Kanban verwenden und erst dann in einem zweiteren Schritt Scrum einführen. Es hängt damit stark von der Situation ab, in der sich ein Unternehmen und eine Organisation befindet, ob ein Agile Coach sinnvoll ist oder nicht. Außerdem hängt die Etablierung der agilen Methodiken stark vom jeweiligen Agile Coach ab. Eine rein beratende nicht praxisorientierte Umsetzung der Rolle ist meiner Meinung nach jedenfalls nicht sinnvoll.

Fazit:

Wenn eine Organisation noch nicht genau weiß welche agile Methodik am besten zu ihr passt oder wenn Scrum bereits halbherzig und schlecht eingeführt wurde und somit sich bereits interne Widerstände gegen das agile Arbeiten innerhalb der Organisation entstanden sind, kann es sinnvoll seine eine neue Person in einer neuen Rolle als „Agile-Coach“ einzustellen. Diese Rolle muss aber praxisorientiert sein. In den meisten Fällen empfiehlt es sich aber erfahrene Scrum-Master einzustellen und diesen die Möglichkeit zu geben an der Organisation zu arbeiten. Das Management sollte dann die Scrum-Master nach besten Möglichkeiten unterstützen.

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