Oft stellt sich bei der digitalen Transformation die Frage nach der Finanzierbarkeit der neuen Geschäftsmodelle. Traditionelle Unternehmen die neue digitale Geschäftsmodelle einführen haben wenig bis keine Erfahrung im Vertrieb und Marketing von digitalen Produkten und Dienstleistungen. Dies kann zu einem großen Problem heranwachsen. Neben einen Change in der Organisation des Unternehmens ist auch eine andere Art von Marketing und Produktentwicklung entscheidend um die digitale Transformation erfolgreich durchführen zu können. Growth-Hacking betrachtet das Thema Marketing ganzheitlich bis hin zum Produkt. Es adressiert das Problem wissenschaftlich, nachvollziehbar, und wiederholbar und ist somit neben Design-Thinking und der der Lean-Startup-Methode ein unverzichtbares Werkzeug in der digitalen Transformation.
Definition Growth Hacking
Der Begriff Growth Hacker wurde 2010 von Sean Ellis geprägt. In einem Blogpost definiert er einen Growth Hacker als jemanden, der auf Wachstum fokussiert ist und alle Auswirkungen seine Aktionen hinsichtlich der Skalierbarkeit auf dieses Wachstum hin untersucht.
Growth Hacker bedienen sich dabei nicht (rein) klassischen Marketingmethoden und -mitteln für ihre Aktionen, da dies Methoden meist zu kostspielig und zu wenig wirksam sind. Die Ursprünge des Growth Hackings liegen im Silicon Valley. So ist Growth Hacking eine spezielle Marketing-Technik die von Startups entwickelt wurde. Es wird mit möglichst kreativen Ansätzen und analytischen Denken unter Einsatz von modernen Technologien, und viralen Marketing im Internet und im Social-Media versucht den Umsatz und die Bekanntheit des Startups zu steigern.
Ausgangslage
Das Growth Hacking geht aufgrund bestimmter neuer Möglichkeiten und Spannungsfelder hervor.
Diese sind:
- Growth Hacking wurde von Startups geprägt die nur kleine Marketingbudgets haben
- traditionelles Marketing, wie beispielsweise Plakatwerbungen, Fernsehwerbungen und Flugblätter sind sehr kostspielig
- Erfolge aus traditionelles Marketing sind schwer zu monitoren
- Moderne Technologien und digitale Produkte und digitale Dienstleistungen ermöglichen eine neue Art von Marketing
- Änderungen und Ergänzungen an digitalen Produkten sind leichter durchführbar, jederzeit möglich und günstiger
- User verhalten sich im Internet anders als in der realen Welt
- Das Internet und Soziale Netzwerke bieten neue Marktplätze und Werbeplätze
- Soziale Netzwerke und das Internet bieten die Möglichkeit virales Marketing zu betreiben
- Virales Marketing und exponentielle Funktionen wie teilen-Buttons in Sozialen Netzwerken ermöglichen es schnell und leicht und zielgerichtet die richtigen Interessenten zu adressieren
Ziele
Folgende Ziele verfolgt Growth Hacking
- Besseren Product–Market fit erreichen (=Kundenbedürfnisse zu befriedigen)
- Mehr Bekanntheit und höhere Umsätze/Userzahlen durch virales Marketing
- Erhöhte Conversion-Rates – das Konvertierten von einmaligen Besuchern in echte wiederkehrende User
Abgrenzung zum traditionellen Marketing
Im traditionellen Marketing baut das Team ein Produkt und übergibt es dem Marketing und dem Vertrieb, Marketing-Mitarbeiter müssen mit dem Arbeiten was sie bekommen. So ist das Hauptziel des traditionellen Marketings die Erwartungen des Kunden so zu bearbeiten und zu ändern, dass diese letzten Endes zum Produkt passen. Im Gegenzug zum modernen Marketing und Growth Hacking. Beim Growth Hacking beteiligt sich der Growth Hacker am Entwicklungsprozess des Produkts, und versucht durch messbare Key Performance Indicators (=KPIs) und kreativen Aktionen mehr Wirksamkeit in den Vertrieb des Produkts zu erreichen. Der Growth Hacker beeinflusst somit einerseits das Produkt selbst, andererseits werden Funktionen in das Produkt eingebaut, die die Conversion Rate erhöhen und virales Marketing unterstützen. Der Growth Hacker geht dabei wissenschaftlich vor. Er sucht und definiert KPIs welche er für seine Entscheidungen heranzieht. Durch das überwachen und optimieren dieser KPIs bringt der Growth Hacker also automatisierte wissenschaftliche Methoden in das Marketing.
Was Marketing-Budgets angeht so braucht Growth Hacking also keine großen Budgets die beispielsweise für Printwerbung benötigt werden und auch nicht einmal auswertbar sind, sondern kommt mit vergleichsweise sehr wenig Kapital und Budget aus. Es ist aber notwendig, dass Growth Hacker vom Management ausreichend Kompetenzen bekommen, um beispielsweise Produktänderungen veranlassen zu können.
Grundbedingungen für Growth Hacking Methoden
Methoden im Growth Hacking müssen daher einige Grundbedingungen mit sich bringen und erfüllen. Growth Hacking Methoden müssen:
- mit kleinen Aufwand umgesetzt werden können
- wenig Umsetzungsbudget benötigen
- Testbar sein
- Skalierbar sein
- viral verbreitbar sein und selbst tragende Verteilungsprozesse etablieren können
- mit KPIs überwachbar sein
Beispiele für Growth Hacking Aktionen
Beispiel für Growth Hacking bei Hotmail
Hotmail hatte das Problem zu wenig neue User zu bekommen und das, obwohl der E-Mail Service bereits gratis hergeschenkt wurde. Traditionelle Marketing-Methoden wie Plakatwerbung oder Flugblätter brachten zu wenig Erfolg, kosteten zu viel Geld und Zeit und waren einfach nicht nachvollziehbar und testbar. Als es bereits sehr schlecht um Hotmail stand, hatte ein Growth Hacker letztendlich eine rettende Idee. Hotmail fügte bei jeder versendeten E-Mail ganz unten als letzte Zeile den Satz „PS – I LOVE YOU. Get your free email at Hotmail.com“ an und schaffte es dadurch eine virale Verbreitung zu bekommen mehr User zu generieren.
Beispiel für Growth Hacking bei Dropbox
Das Management bei Dropbox erkannte schnell, dass es mit der Produktidee eines Cloud-Speichers nicht lange alleine sein wird. Dropbox hatte zwar als erster Anbieter für Cloud-Speicher relativ schnell Kunden gewinnen können, andere Big-Player wie Google, Appel und Microsoft sind jedoch ebenfalls sehr schnell auf den Zug aufgesprungen und haben begonnen ihre eigene Cloud-Speicher anzubieten. Um den Vorsprung nicht zu verlieren musste Dropbox noch schneller wachsen und neue User finden. Das Management erkannt jedoch auch, dass Kosten für Festplatten Jahr für Jahr rapide sanken. So beschloss man bei Dropbox Speicherplatz für gewissen Useraktionen herzuschenken. Warb man erfolgreich einen Freund und brachte ihn dazu sich neu zu registrieren, war/ist es Dropbox sogar 16 GB zusätzlichen Speicherplatz wert. Eine Win-Win-Win-Situation für alle.
Beispiel für Growth Hacking bei AirBnB
AirBnB ist ein Marktplatz und hat wie jeder Marktplatz das Bootstrapping-Problem. Das Henne-Ei-Problem was AirBnB lösen musste um einerseits User und andererseits Anbieter auf die Plattform zu bekommen war sehr groß. Bevor AirBnB groß war wurden Wohnungen und Inserate in den USA auf Craigslist inseriert. Um User von Craigslist auf AirBnB zu locken und dort zum Anlegen eines Accounts zu bringen setzte AirBnB einen Share on Craigslist Button ein. User konnten einfacher die wirklich wichtigen Daten bei AirBnB eingeben und bequem auf Craigslist teilen. Das verbesserte beide Produkte und bescherte AirBnB gratis Werbung und gratis User-Anmeldungen. Eine Win-Win-Win-Situation für User, AirBnB und Craigslist. Oben drein wurde das Pageranking beider Plattformen bei Suchmaschinen verbessert weil die Seiten sich gegenseitig bei jeden Teilen-Post verlinkten.
Der Growth Hacking Prozess
Der Growth Hacking Prozess wird sooft durchlaufen, bis die zu Beginn definierten Ziele erreicht wurden.
- Ziele definieren – Was wollen wir? Wollen wir mehr Registrierungen, mehr Umsatz, mehr monthly unique Visitors?
- Ideen generieren – Brainstorming für Ideen um Ziele zu erreichen
- Ideen organisieren und priorisieren – Ideen als Hypothesen formulieren und organisieren, bewerten, vergleichen und bspw. mit dem ICE-Score (Impact, Confidence, Ease) priorisieren.
- Umsetzen und Testen – Umsetzen und Testen der Idee in Testszenarien
- Analysieren und bewerten – Vergleich der Hypothese mit den Ergebnissen und Beantwortung der Frage „Warum?“
- Experiment optimieren oder verwerfen – Entscheiden ob das Experiment erfolgreich war und optimiert werden soll bis das Ziel erreicht wurde oder das Experiment verwerfen und ein anderes Experiment durchführen
Die vier Kategorien von Growth Hacks
- Plattform Integrationen – Wo sind meine Kunden zu finden und wie bekomme ich sie auf meine Plattform?
- Viral Growth – Wie kann ich meine Kunden dazu bringen mich und mein Produkt weiterzuempfehlen und es im Social Media zu verbreiten?
- Analytics – Was kann ich aus den Daten meiner Kunden lernen, was kann ich aus ihren Verhalten schließen, was kann ich an mir und meinem Produkt verbessern oder an ihren Verhalten ändern.
- Anreizsysteme, Freemiums, Guerrilla-Marketing – Anreizsysteme Schaffen, SEO, Guerillia-Marketing Aktionen oder ähnliches einführen um schnell zu wachsen.
Synergien zu anderen Methoden und Werkzeugen
Growth Hacking baut auf wissenschaftlich fundierten Messmethoden mit KPIs auf. Erfolgreiche Startups sind dann erfolgreich, wenn ihr Produkt einen guten Product-Market-Fit erreichen. Das heißt wenn das Produkt möglichst gut die Bedürfnisse der Kunden/User befriedigt. Diese KPIs können neben der Verwendung im Growth Hacking auch in anderen Methoden und Werkzeugen verwendet werden. So können die KPIs beispielsweise im Design-Thinking Prozess oder der Lean-Startup-Ansatz dazu verwendet werden den Product-Market-Fit zu messen und das Produkt zu verbessern.
Dieser Artikel basiert auf Erkenntnissenaus folgenden Büchern.
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Dieser Artikel gehört zur Artikelreihe „Methoden und Werkzeuge für die Digitalisierung“
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Zum Autor:
David Theil aus Linz Oberösterreich ist Digitalisierungs-Coach, Software-Entwickler und als Head of Software-Development für über 30 Softwareentwickler verantwortlich. Beruflich beschäftigt er sich bereits jahrelang mit der Digitalisierung und hat bereits bei vielen Digitalisierungs-Projekten in der Wirtschaft federführend mitgewirkt. Er bewegt sich in Themen wie Digitalisierung, IoT, oder Industrie 4.0 sowohl beratend als auch praktisch mit echten Lösungen.
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