Inhalt
- Keine Dokumentation
- Blaming Kultur
- Introvertierte gehen unter
- Vorgesetzte sind anwesend
- Kontrolle der Retrospektiven Dokumentation
- Stakeholders in der Retrospektive
- Passive Teilnahme
1. Keine Dokumentation
Beschreibung des Antipatterns:
- Niemand im Team schreibt in der Retrospektive mit und dokumentiert die Beschlüsse und Action-Items.
- Die Dokumentation wird als anstrengender lästiger Part gesehen, den niemand im Team machen möchte
Warum ist das schlecht?
- Werden Beschlüsse, besprochene Themen und Action-Items nicht schriftlich festgehalten, werden diese auch nicht Verbindlich.
- Es wird sich somit nichts ändern und niemand wird sich letzten Endes dafür verantwortlich fühlen Action-Items umzusetzen.
- Außerdem macht sich das Team durch ein derartiges Verhalten angreifbar für Kritik von Stakeholdern. Denn wenn keine Probleme und Problemverbesserungen dokumentiert werden ist eine Verbesserung schwer nachweisbar. Oftmals werden nämlich in Retrospektiven auch externe Schwachstellen oder Schwachstellen in der Organisation aufgezeigt.
- Diese sollten unbedingt dokumentiert werden, um später etwaige Projektverzögerungen kommunizieren und rechtfertigen zu können, bzw. um diese auch wirklich aus der Welt zu schaffen, was ja das eigentliche Ziel der Retrospektive ist.
Verbesserungen:
- Da Dokumentation von vielen oft als nicht so lustig angesehen wird, macht es durchaus Sinn die Aufgabe im Team zu verteilen. Einerseits kann das Feedback der Teammitglieder gleich schriftlich und digital gesammelt werden, andererseits können für das Meeting auch einzelne Teammitglieder bestimmt werden, die dann von Retrospektive zu Retrospektive ausgetauscht werden.
- Am Besten sollte das Team gleich zu Beginn festlegen, was wie dokumentiert werden soll und was nicht dokumentiert werden muss.
- Im Idealfall wird auch ein digitales Tool zur Dokumentation verwendet, da dies den Aufwand der Dokumentation verringert und die Verwendung der dokumentierten Informationen erleichtert.
- In jeder Retrospektive sollte zunächst die Dokumentation der vergangenen Retrospektive durchgegangen werden, um sich die Themen des letzten Sprints noch einmal in Erinnerung zu rufen. Es sollten alle abgehandelten Action-Items gereviewed und gemeinsam besprochen und abgenommen werden.
- Auch das Abfotografieren der Sticky-Notes und das Ablegen der digitalen Fotos mit guter Betitlung der Datei an einem für das ganze Team zugänglichen Dateiordner, ist eine einfache Möglichkeit die Retrospektive effizient zu Dokumentieren.
2. Blaming Kultur
Beschreibung des Antipatterns:
- Die Retrospektiven laufen in einem Rahmen ab, der keine Sicherheit bietet. Es wird nicht wertschätzend mit einander umgegrabenen und herrscht eine harte Kommunikationsatmosphäre.
- Es werden zahlreiche Beschuldigungen und Schuldzuweisungen gemacht.
- Das Team ist nicht konstruktiv, sondern wechselt zwischen austeilen und verteidigen.
Warum ist das schlecht?
- So kann keine Retrospektive durchgeführt werden.
- Dieses Verhalten ist ein absolutes Warnsignal für das Projekt. Es scheinen sehr viele Konflikte und Probleme im Team zu existieren, die eine produktive Zusammenarbeit verhindern.
- Im schlimmsten Fall kündigen Mitarbeiter und die Projektrisiken steigen an, sodass das Projekt letzten Endes scheitert.
Verbesserungen:
- Diese Blaming Kultur ist sowohl ein Armutszeugnis für das Team als auch ein Beweis für das Versagen des Scrum-Masters.
- Um hier wieder herauszufinden, muss das Team erheblichen Aufwand betreiben und die existierenden Konflikte beenden.
- Oftmals ist es hier notwendig, externe Hilfe durch Mediatoren zu finden.
- Es kann aber auch wirksam sein, Teambuilding-Events zu veranstalten und in lockerer Atmosphäre die Probleme anzusprechen. Um hier fortschritte machen zu können, sollte auf jeden Fall aber der gewohnte Arbeitsort verlassen werden.
- Als letzte Konsequenz hilft nur mehr die Eskalation in eine höhere Hierarchieebene zum Vorgesetzten. Notfalls muss das Arbeitsverhältnis mit einigen Mitarbeitern gelöst werden.
- Oftmals ist es auch sinnvoll, an den Kommunikationsskills des Teams zu arbeiten und hier die Theorie aufzufrischen, denn viel zu oft fußen Konflikte auf Kommunikationsmissverständnissen.
3. Introvertierte gehen unter
Beschreibung des Antipatterns
- Bei diesem Antipattern werden die Retrospektiven nicht gut moderiert, introvertierte kommen somit nicht dazu, sich an der Retrospektive zu beteiligen, weil sie durch lautere, extrovertierte Teamkollegen übertönt werden.
- Die dominanten Teamkollegen fallen den anderen Teamkollegen oft ins Wort, sodass diese ihr Meinungen nicht anbringen können.
Warum ist das schlecht?
- Haben introvertierte Teammitglieder nicht das Gefühl, dass ihre Meinung wichtig ist und gehört werden soll, verstärkt dies nur das Problem. Sie halten sich dann noch mehr zurück und beteiligen sich weniger und weniger an der Retrospektive.
- Dadurch geht dem Team ein enormer Schatz an Verbesserungen und Feedback verloren, der in den Köpfen derer liegt, die sich zurückhalten und die nicht gehört werden.
- Durch das Zurückhalten einzelner können etwaige Konflikte nicht besprochen und somit auch nicht gelöst werden, was einen weiteren großen Nachteil für das Team und das Projekt darstellt. Im schlimmsten Fall schwelen Konflikte dahin und schaukeln sich immer mehr auf, bis einzelne Teammitglieder das Team verlassen.
- Durch das Zurückhalten einiger wird außerdem die Konversation sehr einseitig geführt. Durch die fehlende Vielseitigkeit wird das Projekt in eine sehr einseitige Richtung gesteuert, was wiederum Projektrisiken anwachsen lässt.
Verbesserungen:
- Dieses Antipattern ist ein eindeutiges Zeichen, dass der Scrum-Master zu wenig moderiert und es dem Team an Kommunikationsskills fehlt.
- Diese Probleme können aber leicht umgangen werden, indem das Team einerseits den theoretischen Background für eine erfolgreiche Kommunikation im Team bekommt, andererseits strukturierte Retrospektive-Methoden verwendet werden.
- Die einfachste Variante ist, dass jedes Teammitglied zu Beginn der Retrospektive auf Sticky-Notes seine positiven , negativen Punkte, Verbesserungspotenziale und Vorschläge sammelt und diese dann der Reihe nach im Team präsentiert und diskutiert werden.
4. Vorgesetzte sind anwesend
Beschreibung des Antipatterns
- Bei diesem Antipattern nimmt der Vorgesetzte des Teams an der Retrospektive teil.
Warum ist das schlecht?
- Nimmt der Vorgesetzte des Teams an der Retrospektive teil, ändert sich für das Team die gesamte Wahrnehmung und Emotionslage des Meetings.
- Es wird dann strategisch und defensiv kommuniziert und gewisse Themen und Probleme erst gar nicht angesprochen.
- Dieses Antipattern nehmen daher viele Teammitglieder als sehr stören war. Die Retrospektive kann nicht mehr so offen und aufrichtig durchgeführt werden. Das Team öffnet sich gegebenenfalls nicht mehr und spricht Konflikte oder Schwachstellen nicht mehr an.
Verbesserungen:
- Zunächst ist zu hinterfragen, warum der Vorgesetzte in der Retrospektive anwesend sein möchte. Oftmals steckt hinter einem derartigen Verhalten nur die Neugier des Vorgesetzten. In diesem Fall sollte der Scrum-Master den Vorgesetzten abholen und mehr Informationen über die Retrospektive geben.
- Steckt dahinter aber das Bedürfnis, das Team zu kontrollieren oder zu steuern, so zeigt dies ein Fehlen von Vertrauen des Vorgesetzten in das Team und die selbstorganisierte Arbeit.
- In diesem Fall müssen der Scrum-Master und das Team einerseits die nötige Vertrauensbasis schaffen, andererseits muss der Scrum-Master ein weiteres Kontrollieren des Vorgesetzten verhindern und die Führungskraft in agilen Praktiken und Selbstorganisation schulen.
5. Kontrolle der Retrospektiven Dokumentation
Beschreibung des Antipatterns
- Dieses Antipattern ist dem Antipattern „Vorgesetzte sind anwesend“ sehr ähnlich.
- Eine Führungskraft möchte nach einer Retrospektive die Mitschrift des Teams sehen, um zu kontrollieren, welche Schwachstellen und Konflikte es im Projekt gerade gibt und wie das Team zusammenarbeitet.
Warum ist das schlecht?
- Dies ist vor allem deswegen schlecht, weil ein derartiges Verhalten des Vorgesetzten die Vertrauensbasis zum Team erschüttert und das Teammitglied, von dem er die Einsicht in die Dokumentation fordert, in eine sehr ungute schlechte Situation bringt.
- Einerseits führt dieses Verhalten gegebenenfalls zu Konflikten innerhalb des Teams, andererseits zeigt es auch das Misstrauen des Vorgesetzten auf und eröffnet hier Konfliktpotenziale. Dies kann so weit führen, dass Teammitglieder das Unternehmen verlassen und das Projekt dadurch gefährdet wird, weil Wissen abwandert.
- Des Weiteren zeigt dieses Verhalten auch auf, dass die Führungskraft kein Vertrauen in die Selbstorganisation des Teams und die Prinzipien der agilen Arbeit mit Scrum hat.
Verbesserungen:
- Das Team kann das Vertrauen der Führungskräfte und Stakeholder erarbeiten, indem es Sprintziele setzt und erreicht und bei den Sprint-Reviews kompetent Ergebnisse liefert.
- Vorgesetzte müssen gegebenenfalls vom Scrum-Master in die agile Arbeitsweise mit Scrum eingeführt werden und hingewiesen werden, dass die Retrospektive ein Meeting von und für das Team ist.
- Die Dokumentation soll und muss nicht hergezeigt werden.
6. Stakeholders in der Retrospektive
Beschreibung des Antipatterns:
- Ein oder mehrere Stakeholder nehmen an der Retrospektive teil.
- Oftmals sind diese Stakeholder Mitarbeiter anderer Abteilungen wie Marketing oder IT.
- Key-User hingegen wollen eher selten an der Retrospektive teilnehmen.
Warum ist das schlecht?
- Die Retrospektive ist ein Meeting von dem Team für das Team.
- Hier muss Platz für die Teammitglieder sein, sei müssen sich öffnen können und Probleme und Verbesserungen direkt ansprechen können. Nehmen Stakeholder teil, verändert sich das gesamte Meeting. Die Teammitglieder können sich nicht mehr so öffnen und offen und ehrlich über Verbesserungen und Probleme sprechen.
- Nehmen Externe an der Retrospektive teil, so können Konflikte gegebenenfalls nicht gelöst und Verbesserungen nicht diskutiert werden.
Verbesserungen:
- Oftmals wollen Stakeholder aus Neugier an der Retrospektive teilnehmen.
- Dabei ist ihnen nicht bewusst, dass sie einerseits nicht in der Retrospektive teilnehmen sollen und andererseits ihre Anwesenheit die gesamte Retrospektive verändern.
- Der Scrum-Master muss die Stakeholder abholen und versuchen einerseits zu erklären, wie Retrospektiven ablaufen und andererseits verhinder, dass dies an der Retrospektive teilnehmen.
- Das Hauptmeeting für Stakeholder ist das Review. Hier haben Stakeholder die Möglichkeit, Dinge zu hinterfragen und auf das Projekt Einfluss zu nehmen, die Retrospektive ist dafür kein passender Ort.
- Neben dem Review kann natürlich auch abseits von Scrum offiziell oder inoffiziell mit dem Team gesprochen werden. Die besten Gespräche ergeben sich dabei bei der Kaffeemaschine oder in der Mittagspause. Wichtig dabei ist jedoch, dass die Las Vegas Regel durch die Teammitglieder eingehalten wird.
7. Passive Teilnahme
Beschreibung des Antipatterns:
- Teammitglieder nehmen zwar physisch an der Retrospektive teil, beteiligen sich aber nicht an den Diskussionen und bringen sich nicht ein.
Warum ist das schlecht?
- Sind einige Teilnehmer nicht motiviert und beteiligen sich nicht an der Diskussion, so demotiviert dies gegebenenfalls andere Teammitglieder.
- Außerdem geht die Vielseitigkeit an Meinungen zurück und Themen werden nicht mehr von so vielen Blickwinkeln betrachtet.
- Konflikte, die mit den passiven Teilnehmern existieren, werden gegebenenfalls nicht angesprochen.
- Verbesserungspotenziale können vielleicht auch nicht aufgedeckt werden, weil diese durch die passiven Teilnehmer nicht eingebracht werden.
Verbesserungen:
- Die Gründe für diese Passivität können zahlreich sein. Der Scrum-Master muss erkunden, was hinter dem Zurückhalten einzelner Teammitglieder steckt und Gegenmaßnahmen ergreifen.
- Vielleicht sieht das Teammitglied keinen Mehrwert in dem Meeting, oder es empfindet das Meeting nicht als wertschätzend, sondern als unsicheren Ort und dies verhindert, dass sich das Teammitglied mit seinen Sorgen und Problemen dem Team öffnet.
- Es kann auch sein, dass das Teammitglied keine Fehler eingestehen möchte und dies als Schwäche wahrnimmt oder der Organisation und den Vorgesetzten misstraut.
- Eine einfache Möglichkeit, hier gegenzusteuern, ist es, eine strukturierte Retrospektiven-Methode zu verwenden. Dies macht jedoch nur dann Sinn, wenn zunächst die Vertrauensbasis hergestellt und das Misstrauen des Teammitglieds beseitigt wurde.
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