Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen um ein sehr gutes digitales Produkt zu bauen ist seine Usergruppen und Kundensegmente zu kennen. Der Produktmanager muss, damit das digitale Produkt seine Anwender und Kunden überzeugt, auf die Bedürfnisse und Anforderungen der User detailliert eingehen und diese abdecken. Erreicht das digitale Produkt diese Abdeckung spricht man von guten Product-Market-Fit bzw. Problem-Solution-Fit. Um den Product-Market-Fit zu analysieren und zu dokumentieren kann das Value-Proposition-Canvas verwendet werden. Für jede Usergruppe sollte jedoch immer einzeln ein eigenes Value-Proposition-Canvas erstellt werden. In der Erstellung des Value-Proposition-Canvas sowie in der Umsetzung des digitalen Produkts ist es also wichtig immer die Usergruppe zu berücksichtigen und im Blick zu halten, denn dann gelingt die Kundenzentrierte oder Userzentrierte Entwicklung des digitalen Produkts. Ein wichtiges Hilfsmittel um dies zu ermöglichen ist die Verwendung von Personas.
Definition Personas
Personas sind Profile von Personen einer Personengruppe die einen idealtypischen Vertreter dieser Gruppe repräsentieren. Sie sind somit der Stellvertreter dieser Personengruppe. Diese Profile können dann für die Entwicklung digitaler Produkte und anderer Produkte, sowie für das Merketing und den Vertrieb verwendet werden. Personas sind jedoch nicht Profile realer Personen sondern vereinen viel mehr Eigenschaften, Wünsche und Merkmale vieler Personen dieser Gruppe und sind somit Beschreibungen fiktiver Personen. Das Wort Persona stammt aus dem Lateinischen und steht für „Maske“. Die Daten und Eigenschaften die in einer Persona gesammelt werden, dienen dann im weiteren Verlauf dazu, das Verhalten, die Wünsche und Erwartungen die diese Persona dokumentiert in die Produktentwicklung und das Marketing einfließen zu lassen.
Wann sind Personas sinnvoll und wo werden sie eingesetzt?
Da Personas die Vertreter ihrer Personengruppe darstellen, deren Wünsche und Bedürfnisse aufzeigen, sind Personas ein sehr universelles Tool, um innerhalb des Produktentwicklungsteams für Verständnis für diese Kundengruppen zu sorgen. Dadurch kann gezielt auf Nutzeranforderungen eingegangen werden, und ein einheitliches Verständnis für eben jene Personengruppen im Team erzeugt werden. Im Normalfall haben digitale Produkte eine Hand voll Personengruppen die diese digitalen Produkte verwenden und somit empfiehlt es sich auch einige Personas zu erstellen.
Der Aufwand Personas zu erstellen haltet sich in Grenzen, der potenzielle Mehrwert ist aber sehr groß, somit sind Personas immer sinnvoll.
Die Einsatzgebiete von Personas sind dabei jedoch nicht rein auf die Entwicklung von (digitalen) Produkten beschränkt, Personas können in zahlreichen Bereichen eines Unternehmens sinnstiftend eingesetzt werden:
- Entwicklung (digitaler) Produkte
- ansprechen und adressieren von Personengruppen im Markting
- Erstellung vom Value-Proposition-Canvas
- Abdecken des Product-Market-Fits
- Erstellung vom Business-Model-Canvas
- Kundensegmentierung
- Identifizieren von Kundenbedürfnissen
- Gezieltes adressieren von Bedürfnissen der Kunden im Vertrieb
- uvm.
Inhalt einer Persona
Personas sehen einem Lebenslauf sehr ähnlich. Sie beinhalten Informationen über eine Person aus folgenden Bereichen:
- Soziodemografische Merkmale und persönliche Informationen
- Charaktereigenschaften
- Angaben über Ausbildung und Beruf
- Kompetenzen und Fähigkeiten
- Aufgaben, Ziele und Wünsche
- Frustrationen
- Aktivitäten
Soziodemografische Merkmale und persönliche Informationen
Dieser Bereich beinhaltet Basisangaben über der Person, darunter fallen:
- Beispielfoto der Person
- Geschlecht
- Name
- Alter
- Familienstand
- Lebensmittelpunkt (Land, Stadt, Wohnart, etc.)
- Hobbys und Interessen
- Lebensstil (Urban, Reisen, Materiell, etc.)
- oft auch Empfehlenswert ist ein Titel oder Slogan
- ggf. Basiseinkommen, Kaufkraft
Charaktereigenschaften
- Technologieenthusiast
- Early Adopter, Kritiker, Mainstream Mitschwimmer, Nachzügler
- Mutig, Furchterfüllt
- Förderer/Bewahrer
- Sozial, Eigenbrödlerisch
- Kommunikativ
Angaben über Ausbildung und Beruf
- Werdegang
- Beruf
- Ausbildung
- Berufliche Ziele
- Position
- Kompetenzen
- Herausforderungen in der aktuellen beruflichen Position
Geraden bei B2B Produkten sind die Angaben über die berufliche Situation der Persona relevant.
Kompetenzen und Fähigkeiten
- Entscheidungskompetenzen im Berufskontext
- Knowhow und Kompetenzen in der Arbeitserledigung
- Knowhow und Kompetenzen im digitalen Umfeld
Aufgaben, Ziele und Wünsche
- Berufliche Aufgaben,
- Private Aufgaben
- Berufliche Ziele
- Private Ziele
- Artikulierte und nicht artikulierte Wünsche
- Grundlegende Bedürfnisse
Frustrationen
- Pains/Schmerzen bei der Verwendung von Produkten
- Pains/Schmerzen bei der Erledigung des Jobs
- Soziale Frustrationen und Ungerechtigkeiten
- Frustrationen und Probleme die bei der Erreichung der Ziele im Wege stehen
- Pain-Points
Pain-Points und Frustrationen zeigen mögliche Ansatzpunkte auf an denen ein Produkt oder ein Service eingreifen und somit einen Mehrwert für die Persona liefern kann. Dadurch wird ein möglicher Product-Market-Fit leichter gefunden.
Aktivitäten
Aktivitäten sind wiederkehrende berufliche oder private Tätigkeiten die die Person durchführt um seine Ziele zu erreichen und die Bedürfnisse zu erfüllen.
- berufliche Aktivitäten,
- private Aktivitäten,
- Freizeitaktivitäten
- usw.
Wichtiges zur Erstellung der Persona
Eine Persona gibt Einblicke in die Persönlichkeit und den Alltag einer Person bzw. einer Personengruppe. Dabei sind vor allem jene Einblicke interessant die im Kontext des Produkts oder des Services stehen und förderlich oder hinderlich für die Produktentwicklung sein können. So kann beispielsweise eine Charaktereigenschaft eines Early-Adopters hilfreich sein, das digitale Produkt besser bekannt zu machen. Während ängstliche Bewahrer, meist gegen Neuerungen sind und somit eher keine neuen Produkte im Unternehmen oder im Privatleben einsetzen.
Erstellung von Personas
Personas sind ein zentrales Tool in der kundenzentrierten Produkterstellung. Sie begleiten und leiten die Entwicklung des digitalen Produkts von Anfang an, auf allen Ebenen und durch alle Entwicklungsschritte. Zu Beginn der Produktentwicklung ist aber noch relativ wenig über die User und beteiligte Personengruppen bekannt. Aus diesem Grund werden werden zunächst Personas Aufgrund von minimalen Wissensstand und vielen Annahmen aufgebaut. Diese Proto-Personas oder auch Adhoc-Personas genant bilden die Ausgangslage für die weitere Erforschung der Zielgruppen und der userzentrierten Produktentwicklung. Im Weiteren werden nun durch Erfassung von Daten und durch gezieltes Nachfragen in Interview Informationen und Wissen über die Usergruppen gesammelt. Dieses neue Wissen fließt dann ständig in die Erweiterung der Personas und die weitere Produktentwicklung mit ein.
Der Ablauf beim Erstellen der Personas sieht also folgendermaßen aus:
-
Zielgruppen identifizieren
-
Vorhandene Daten und Annahmen über Zielgruppen zusammentragen. Das eigene Team befragen und gemeinsam die Personas erstellen.
-
User, Kontaktpersonen den einzelnen Personengruppen zuordnen.
-
Gemeinsamkeiten herausarbeiten und idealtypische Vertreter der einzelnen Gruppen identifizieren
-
Daten sammeln und Fragen vorbereiten
-
Interviews durchführen
-
Gewonnen Informationen, gewonnenes Wissen in die Personas und die Produktentwicklung zurückfließen lassen.
Verwendung von Personas in der agilen Produktentwicklung
Wurden aussagekräftige Personas für die wichtigsten Personengruppen gefunden, so können diese für die Erstellung von Value-Proposition-Canvas, Business-Model-Canvas und die Erforschung des Product-Market-Fits verwendet werden. Für jede Persona, bzw. Personengruppe/jedes Kundensegment wird dabei ein eigenes Value-Proposition-Canvas befüllt. Hier werden Pains und Gains und Jobs genauer definiert und mit Features des Produkt gematched.
In der agilen Produktentwicklung arbeiten Teams mit Product-Backlogs. In diesen befinden sich Product-Backlog-Items die konkrete Features beschreiben. Um möglichst effizient und userzentriert zu arbeiten, muss jedes Feature für mindestens eine Persona relevant sein. Es macht Sinn über Referenzen oder Tags die jeweilige Persona mit den Product-Backlog-Item zu verknüpfen. Ist ein Feature keiner Persona zuzuordnen und ist das Thema kein allgemeines Infrastruktur-Thema, so hat das Feature offensichtlich keine Berechtigung.
Durch die Verknüpfung mit der Persona kann sich das Umsetzungsteam besser mit der Persona und der Usergruppe identifizieren und ein besseres Verständnis für die Anforderung und das umzusetzende Feature aufbauen.
Personas werden aufgrund des immer besser werdenden Wissensstands über die Personengruppe immer mehr angepasst und sollten daher immer und jeder Zeit für das Umsetzungsteam zugänglich sein.
Verwendung von Personas in Vertrieb und Marketing
Wer die Aufgaben, Herausforderungen und Probleme seiner Kundengruppen kennt, kann diese gezielt ansprechen. Aus diesem Grund sind Personas auch im Vertrieb und im Marketing sehr wertvoll. Personas geben einer Kundengruppe ein Gesicht und einen Namen und helfen dabei auf Eigenheiten und Eigenschaften einzugehen. Somit helfen sie auch bei der Marktsegmentierung.
Beispielpersona
„Agile Software-Entwicklung und DevOps sind geil.“
Name: Peter Programmierer
Geschlecht: männlich
Alter: 21
Familienstand: Single
Lebensmittelpunkt: Stadtwohnung Wohngemeinschaft
Job: Junior Software-Engineer
(20h neben Studium)
Basiseinkommen: 1000 € Netto / Monat
Hobbys: Gaming, Party, Codingcontests, Hackertons
Charaktereigenschaften:
- Zielstrebig
- Motiviert
- Technologieenthusiast
- Early Adopter, Trendsetter, neugieriger Ausprobierer
- ist Kommunikativ und Jahrgangssprecher im Studium
Beruflicher Werdegang:
- abgeschlossene HTL für IT mit Schwerpunkt auf Programmieren
- studiert im 3 Semester Berufsbegleitend an der FH-Hagenberg Software-Engineering
- Arbeitet für 20 h als Junior Software-Engineer an einem Software-Produkt mit
- Ist das jüngste Teammitglied in einem Team aus 5 Software-Engineers
Kompetenzen und Fähigkeiten:
- Ist noch ein junger Software-Engineer,
- Hat Basis-Knowhow über Software-Engineering, Clean-Code und Unittesting
- Bekommt die „einfachen“ Tickets im Team, arbeitet aber autonom
- hat prinzipiell nicht die Kompetenz über Tools und Technologien zu entscheiden
- kann im Studium aber seine Kollegen für etwas begeistern
Aufgaben, Herausforderungen, Ziele, Wünsche:
- Im Beruf muss er saubere gut getesteten Code abliefern
- Möchte im Beruf, bei Hackertons und bei privaten Projekten schnell und effizient arbeiten
- Hat das Ziel seine Kollegen von seiner Kompetenz als Software-Engineer zu überzeugen.
- Hat den innerlichen Wunsch neue Tools zu erproben und effizient arbeiten zu können.
- Möchte sich gegenüber seinen Studienkollegen als wissenden Trendsetter darstellen.
Beispielpersona
„Saubere fehlerfreie und skalierbare Software ist mir sehr wichtig“
Name: Architekt Arnold
Geschlecht: männlich
Alter: 42
Familienstand: Verheiratet, 2 Kinder
Lebensmittelpunkt: Vorstadt Reihenhaus
Job: Senior Software-Architekt
Basiseinkommen: 3000 € Netto / Monat
Hobbys: Garten, Fachlektüre, Konferenzen, Rennrad fahren
Charaktereigenschaften:
-
Sehr genau
-
Zielstrebig
-
ruhig und erfahren
-
gelassen und streßresistent
-
konservativ zurückhaltend
Beruflicher Werdegang:
-
HTL
-
IT Magister Studium
-
Berufseinstieg Konzert IT
-
Produktentwicklung Software
-
Senior-Software-Engineer
-
Software-Architekt
-
18 Jahre Berufserfahrung
Kompetenzen und Fähigkeiten:
-
Sehr erfahrener Software-Engineering-Veteran
-
Findet immer noch eine Verbesserung
-
Macht die meisten Pullrequests
Aufgaben, Herausforderungen, Ziele, Wünsche:
-
Fühlt sich für das Produkt und das Projekt sehr verantwortlich
-
Möchte nur das beste Produkt ausliefern
-
Hat das Ziel eine nachhaltige, wartbare, skalierbare Software-Architektur zu erstellen
-
Wünscht sich stabilere saubere Software
-
Neue Tools müssen sich nahtlos in den Entwicklungsprozess einreihen!
Beispielpersona
„Ich bringe das Projekt und meine Juniors für die ich verantwortlich bin weiter“
Name: Simone Senior
Geschlecht: weiblich
Alter: 32
Familienstand: Verheiratet keine Kinder
Lebensmittelpunkt: Eigentumswohnung Stadt
Job: Senior Software-Engineer
Basiseinkommen: 2800 € Netto / Monat
Hobbys: Reisen, Yoga, Gymnastik, Laufen, Programmkino
Charaktereigenschaften:
-
Sozial
-
Kommunikativ
-
Geduldig
-
Kreativ
Beruflicher Werdegang:
-
Gymnasium für Touristik
-
FH-Studium Software-Engineering
-
Berufseinstieg Junior Software-Engineer
-
Senior-Software-Engineer
-
10 Jahre Berufserfahrung
Kompetenzen und Fähigkeiten:
- Kann das Team sehr gut mitnehmen
- Tritt als Vermittlerin und Mentorin im Team auf
- Coached Junior-Devs und ist meist für ein zwei Juniors verantwortlich
- Hat bereits einiges an Software-Engineering Erfahrung
Aufgaben, Herausforderungen, Ziele, Wünsche:
-
Möchte eine einfache Möglichkeit haben wie sie Juniors helfen kann zu besseren Code zu kommen.
-
Hat immer viel zu tun, und muss neben der Betreuung der Juniors auch ihr eigenes Pensum an Tickets und PBIs schaffen und steht daher sehr unter Druck.
-
Ist sehr gern für Juniors verantwortlich findet dies jedoch in stressigen Projektphasen sehr belastend.
Beispielpersona
„Wir setzen nur die professionellsten Tools ein, die uns Qualität und Effizienz generieren“
Name: Lukas Leiter
Geschlecht: männlich
Alter: 38
Familienstand: Verheiratet, 1 Kinder
Lebensmittelpunkt: Vorstadt Reihenhaus
Job: Head of Software-Engineering
Basiseinkommen: 3500€ Netto / Monat
Hobbys: Garten, Fachlektüre, Konferenzen, Marathon laufen
Charaktereigenschaften:
-
Zielstrebig
-
Kommunikativ
-
Strukturiert
-
Stratege
-
Empathisch
Beruflicher Werdegang:
-
HTL für IT
-
IT-Studium mit BSc. und MSc.
-
Berufseinstieg als Software-Engineer
-
Projektleiter und Projektmanager in Software-Engineering Projekten
-
Product-Owner für ein Software-Produkt
-
Leitung der Software-Engineering Abteilung
Kompetenzen und Fähigkeiten:
-
Management und Führungskompetenzen
-
Moderations skills
-
Kann Tools kaufen
-
Verfüg über ein Budget für die Abteilung
-
Hat grundlegendes Knowhow über Software-Engineering ist jedoch schon länger nicht mehr aktiv am Programmieren
Aufgaben, Herausforderungen, Ziele, Wünsche:
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Möchte dass seine Software-Engineering-Teams sauberen Code schreiben
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Schickt regelmäßig seine Software-Engineers auf Schulungen um über Testen, Clean-Code und Clean-Architecture zu lernen
-
Möchte dass seine Teams möglichst effizient und effektiv arbeiten
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Hat immer zu wenig Software-Engineering Kapazitäten
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Muss neue Kollegen schnell onboarden und up2speed bekommen.
-
Glaubt dass Software-Qualität und Code-Qualität unweigerlich zu effizienter Entwicklung führen
-
Wünscht sich die besten Tools die Zeit sparen und Qualität steigern.
Zusammenfassung und Fazit
Personas helfen in der Produktentwicklung und im Marketing dabei seine User und Kundengruppen besser kennen zu lernen und ihnen ein Gesicht zu geben. Wer userzentriert arbeiten will, und maßgeschneiderte Produkte mit hohen Product-Market-Fit erstellen will kommt um Personas nicht herum. Dabei sind Personas genauso dynamisch und veränderlich wie die agile Produktentwicklung selbst. Mit der Zeit werden mehr Informationen vom Produktmanagement und vom Umsetzungsteam gesammelt. Diese Informationen und das gewonnene Wissen daraus fließen ständig in die Produktentwicklung und die Entwicklung der Personas mit ein. Um integriert zu arbeiten sollten Personas in anderen Methoden und Tools verknüpft werden und immer für das Umsetzungsteam und das Vertriebs- und Marketingteam zugänglich sein. So gelingen großartige digitale Produkte.